Was Porsche & Co und Unsympathen mit professioneller Hypnose zu tun haben

Veröffentlicht am 14. Dezember 2025 um 18:50

Es ist mal wieder so weit. Sonntagmorgen und Frühstückstrance. Mein Kaffee wird langsam kalt, während der Honig vom Brötchen tropft und ich abwechselnd Löcher ins Aquarium, in die Luft und durchs Fenster schaue.

Und plötzlich bin ich zack – mitten in einer Erinnerung von vorgestern.

Ich hatte ein Support-Telefonat mit einer ehemaligen Schülerin. Eine wirklich reflektierte, offene Hypnotiseurin.

Sie hatte schon selbst erkannt, dass sie immer wieder Ähnliches, Unangenehmes in Hypnosesitzungen erlebt – und dass das kein Zufall sein kann. Sie konnte es nur noch nicht komplett verstehen. Und auch dafür ist der Support nach der Hypnoseausbildung da: sich auch mal Hilfe zur Selbsthilfe holen, wenn man alleine nicht weiterkommt – und nicht so genau weiß, wo es gerade klemmt. Eben auch dann, wenn es mal keine konkrete fachliche Frage ist, sondern eher so etwas wie: „Ich hab keine Ahnung warum, aber es läuft irgendwo suboptimal.“ Genau das ist der Weg von Hypnose machen zum Hypnotiseur.

Wir hatten also ein interessantes Telefonat. Sie erzählte mir von verschiedenen ähnlichen Ereignissen. Und während sie erzählte, erklärte sie sich das Meiste schon selbst. Kennst du bestimmt: Wenn man jemand anderem ein Problem beschreibt, erklärt man sich dabei oft selbst die Lösung. Wir konnten daher schnell klären, wo es geklemmt hat und was sie jetzt verändern kann.

Während des Verabschiedens sagte sie so nebenbei: „Oh Mann, ich hab ja jetzt noch ein Beratungsgespräch und schon so ein unangenehmes Gefühl. Als ob das wieder einer von der Sorte Klienten ist, bei denen ich schon beim Guten-Tag-Sagen die Tür am liebsten wieder zumachen würde. Diese Arroganten, denen schon ins Gesicht geschrieben steht, dass sie eh schon alles wissen – auch über Hypnose – und dir erzählen, wie du deinen Job machen musst … da rollen sich mir die Fußnägel. Weißte, welche ich meine? Die dir dann oft erst mal in einer Tour erzählen, wie erfolgreich sie sind, was sie alles haben, mit welchem ihrer Porsche sie heute da sind, welchen super Deal sie wieder gemacht haben … blablabla … Und mit dem Kram fallen die mir auch noch ständig ins Wort. Ich versuche schon noch, das Beratungsgespräch irgendwie durchzuziehen, aber eigentlich habe ich da schon keine Lust mehr. Dann lasse ich die halt reden, sage noch ein, zwei Sätze zu Hypnose, wünsche ihnen alles Gute und bin heilfroh, wenn die 20 Minuten rum sind. Da hat mir echt geholfen, dass du im Seminar sagst: ‚Ihr müsst nicht mit jedem Klienten arbeiten.‘ Bin ich froh drum, dass du das auch so siehst.“

In meinem Kopf sofort: Ach du Scheiße. Soooo habe ich das doch nicht gesagt. Und gleichzeitig: Verdammt – doch, ich HABE es GENAU SO gesagt. Nur komplett anders gemeint. Mist.

Offensichtlich hat die selektive Wahrnehmung da ihren Job ganz großartig gemacht. Der bequeme Teil meiner Ausführungen zu dem Thema wurde gespeichert – der Rest, alles vor und nach dem einen Satz, ausgeblendet. Mein Fehler, dass ich dieses Phänomen ignoriert habe. Mist: Wenn das bei ihr so war, dann kann das ja auch bei anderen so passiert sein. Mist. Mist. Mist.

Und das, obwohl ich es doch schon oft erlebt habe, dass immer mal wieder Sätze, aus dem Kontext gerissen, an mich herangetragen werden. „Du hast im Seminar gesagt …!“ Ja, habe ich. Aber davor und danach gab es auch noch Text, der dazugehört. Und nur in diesem Zusammenhang ergibt der Satz seinen wahren Sinn. Genau das ist hier auch passiert. Also habe ich es im Telefonat noch einmal erklärt. Zum Glück traf das direkt auf offene Ohren – und ich habe es wieder klicken hören.

Dieses Mal nicht nur bei ihr – sondern auch bei mir – ich muss diesen Satz offensichtlich noch besser erklären:

Du musst nicht mit jedem Klienten arbeiten – aber Unsympathie sollte kein absoluter Ablehnungsgrund sein.

Denn: Wenn du jemanden unsympathisch findest, ist das deine Wertung. Und Wertung hat in professioneller Hypnotiseur-Arbeit nichts zu suchen. Sobald wir werten, haben wir eine Meinung. Und Meinung ist ein schlechter Berater für uns Hypnotiseure. Denn sobald wir eine Meinung zum Klienten oder zu seinem Thema haben, arbeiten wir – unbewusst – darauf hin, dass unsere Meinung bestätigt wird.

Okay – dass es NICHT darum geht, dass wir unsere Meinung bestätigt bekommen, sollte ja klar sein. Und dennoch schafft es auch unsere Psyche, uns manchmal mehr Meinung haben zu lassen, als es für unsere Arbeit gut ist.

Wir wissen: Es kommt kein Klient in unsere Praxis, damit wir unsere Meinung bestätigt bekommen – klar soweit.

Jeder Klient kommt zu uns, weil er ein Problem hat, das er mit unserer Hilfe lösen möchte. Nicht, um uns in seinem Wesen, seinem Auftreten oder seinem Charakter zu gefallen.

Er muss uns nicht so sympathisch sein, dass er unser bester privater Freund werden könnte.

Sicher: Wir benötigen Rapport, und Sympathie ist auch eine Facette von Rapport. Doch Rapport bleibt nicht automatisch aus, nur weil dir jemand im ersten Moment unsympathisch erscheint. Charakter, Optik, Sprachduktus usw. sollten nicht automatisch zu Meinung führen – denn Meinung ist Wertung, und deine Wertung sagt nicht wirklich etwas über den Klienten aus, sondern etwas über dich – nichts darüber, was in der Welt deines Klienten wirklich passiert.

Professionell ist es daher, trotz – oder gerade wegen – solch eines Triggers beim Anliegen deines Klienten zu bleiben. Den Grund, warum er zu dir gekommen ist, zu priorisieren – statt deine Befindlichkeiten. Zum Beispiel, indem du deinen Fokus gerade dann, wenn du genervt bist, weg von deinen Emotionen und stattdessen wieder auf deinen Job lenkst: indem du deiner Neugier wieder Raum gibst, statt dir von deinem Unmut über diesen vermeintlich „unmöglichen“ Menschen Energie rauben zu lassen. Deinen Ehrgeiz weckst, die echten Antworten finden zu wollen: Warum ist dieser Mensch so? Was hat sein Verhalten mit dem mir kommunizierten Thema zu tun? Was steckt dahinter? Und das kann fast automatisch dazu führen, dass du wieder in den Modus kommst, genau diesen Klienten bedienen zu wollen: Der Unmut kann sich verziehen, und dein Ego bekommt stattdessen eine neue Spielweise – nämlich die echten Hintergründe verstehen zu wollen. Zack: Du bist in einem Modus, in dem Wertungen und Meinungen keine Rolle mehr spielen. Und gewinnst vielleicht einen der interessantesten und für dich bereicherndsten Klienten.

Der vielleicht einer ist, der anderen extrem begeistert von dir und deiner Arbeit erzählt, von dir, weil du vielleicht einer der wenigen oder sogar der erste Mensch warst, der ihm wirklich zugehört hat. Der sich die Mühe gemacht hat, hinter seine Fassade zu schauen, hinter sein aufgesetztes Selbstbewusstsein, hinter Tattoos im Gesicht, die er selbst vielleicht schon lange bereut.

Solche Klienten aktiv oder innerlich abzulehnen, ist vergleichbar mit dem Weglaufen vor deinen eigenen Themen. Schön bequem fürs eigene Ego: Das Problem ist ja weg – oder? Nein. Nur ein potenzieller Klient ist weg. Und der nächste Klient wird kommen, der dich und dein Thema wieder triggert. Der Nächste und der Übernächste … der ohne Lösung DEINES Problems wieder kein Klient werden darf. Stattdessen wieder ein Mensch mehr, der da draußen rumläuft mit einer suboptimalen Meinung zur Hypnose und vermutlich sogar zu dir und zu deiner Praxis, die er höchstwahrscheinlich auch anderen weitergibt. Ein potenzieller Negativ-Promo-Multiplikator.

In Fällen, in denen dein Ego dich daran hindert, schon in Anwesenheit so eines Klienten in deinen optimalen Modus umzuschalten (z. B. in den oben beschriebenen neugierigen „Ich-will’s-wissen“-Modus), ist es clever, spätestens nach so einer „Pah, solche Typen brauche ich nicht“-Entscheidung ehrlich in den Spiegel zu schauen und dich zu fragen, was da gerade passiert ist. Also selbst zu deinem eigenen Klienten zu werden – oder zum Klienten eines guten Kollegen. Oder deine Support-Option zu nutzen. Dein Thema aufzulösen, um deinen nächsten „unmöglichen Klienten“ in einem entspannten, neugierigen Modus zu erleben, der es dir ermöglicht, mit jedem Charakter zu arbeiten.

Das, was ich im Seminar rund um „Du musst nicht mit jedem Klienten arbeiten“ meine – und erkläre –, sind Fälle, in denen man auch als erfahrener Hypnotiseur mal nicht in der Lage ist, das Thema des Klienten mit ihm professionell zu bearbeiten – ohne dass die eigenen Emotionen dazwischenfunken. Also: Wenn ein Thema dich emotional so trifft, dass du nicht mehr neutral und neugierig auf die Lösung des Klienten mit ihm arbeiten kannst.

Zum Beispiel: Wenn du in deinem Umfeld gerade jemanden hast, der schwer krank ist – und es dich emotional belastet, dass du nicht helfen kannst – und ein Klient kommt genau mit diesem Thema zu dir, dann kann das so nah an deiner eigenen Lebenssituation sein, dass du nicht neutral bleiben kannst, sondern emotional ins Thema einsteigst – mit deinen Emotionen, nicht empathisch, sondern mitleidend. Dann ist Ablehnung sinnvoll. Nicht, weil der Klient ungeeignet wäre, sondern weil du in dieser Situation ungeeignet bist und nicht die professionelle Klarheit aufbringen kannst, die du brauchst. Weitere Themen für so etwas können Todesfälle, Trennungen, eigener Liebeskummer und jedes Thema sein, das dich sofort mehr ins Mitleiden als ins Interesse kippen lässt.

Ein weiterer sinnvoller Ablehnungsgrund ist es natürlich, wenn rechtliche Grenzen überschritten werden.

Ich merke gerade: Ich bin dabei, mich derartig ins Thema reinzusteigern, dass ich noch „drölfzig“ weitere Seiten dazu schreiben könnte … und nahezu parallel kommt ein innerliches STOP. Noch mehr Text wird es nicht sicherer machen, dass jeder, der das liest, es genau so versteht, wie ich es meine. Mist – was mache ich denn nun? Hmmm … Ich kann ja nur schreiben, was ich meine, es mit noch hundert weiteren Beispielen belegen, es noch ausführlicher formulieren – und trotzdem ist nicht garantiert, dass es bei jedem Leser genau so ankommt, wie ich es meine. Mehr Text löst dieses Problem also schon mal nicht automatisch.

Ist das jetzt eine neue Erkenntnis? Nee. Aber Moment – ich habe die Lösung doch schon: das, was ich z. B. beim zentralen Thema in der Hypnoseausbildung Stufe 2 (Nautilus-Code-Analyse) immer mache. Da gehe ich nie davon aus, dass das, was ich erkläre, automatisch genau so ankommt, wie ich es meine. Ich lasse es mir „zurückerklären“!

Das kennt ihr aus dem Stufe-2-Seminar – bei der morgendlichen Feedbackrunde am Tag 2 drehe ich den Spieß um und sage: „So. Jetzt habe ich euch in vielen meiner Worte den Nautilus-Code erklärt. Und trotzdem kann es sein, dass andere Worte, die dasselbe sagen, bei dem einen oder anderen den Klick auslösen – der vielleicht jetzt noch fehlt. Also erklärt ihr mir jetzt bitte mal den Nautilus-Code.“ Und das, was dann mit euren Worten erklärt wird, ist immer super interessant und hilft allen – auch mir –, noch besser zu verstehen.

Nicht, weil irgendwer „zu doof“ wäre, meine Worte zu verstehen, sondern weil Sprache halt so funktioniert: Mehrere Menschen hören denselben Satz, und in jedem Kopf kann trotzdem etwas anderes ankommen. Und daher kann schon ein anderes Wort, eine andere Reihenfolge, ein anderer Vergleich oft die Lösung sein.

Jetzt habe ich es verstanden: Ich meinte, meine Ausführungen rund um den Satz „Du musst nicht mit jedem Klienten arbeiten“ waren immer so klar, dass sie jeder so verstanden hat, wie ich sie meinte. Da hatte ich wohl mehr Meinung als Neugier auf die Wahrheit. 😮 Ups – und AHA – kapiert! Danke, Frühstückstrance. Ich werde ab sofort noch häufiger fragen, was genau bei euch angekommen ist 😎

Wenn du diesen langen Text ganz tapfer bis zu Ende gelesen hast und dazu Gedanken, Meinung oder Fragen hast: Her damit. Über die Kommentarfunktion oder über meine anderen Kontaktwege – denn das, was du verstehst, ist das, was wirklich zählt – ganz besonders bei Worten, die ein Hypnotiseur von sich gibt. Ich mag meine AHAs – auch wenn die beim Erkennen erst mal unbequem sind.

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