Die Magie eines Geschirr-Sets und was es aus der Ferne serviert
Selbstsabotage serviert auf schickem Porzellan
Vielleicht kennt ihr das auch. Einfach mal um Hilfe bitten – manchmal gar nicht mit Worten, sondern durch schlüssiges Handeln, durch das unausgesprochene Signal: „Hilf mir doch eben.“ Weil’s praktischer ist, weil man’s gerade nicht allein tragen will, und weil man hofft – oder sogar weiß –, dass es für den anderen nur eine kleine Mühe ist, mir etwas sehr Unbequemes abzunehmen.
So war’s bei mir auch:
Ich hatte mir in diesem Frühjahr in Aschaffenburg ein wunderschönes Geschirr gekauft
Mit diesem, "Ohhh... das ist schön – das möchte ich!“-Moment.
Nur dass mir im selben Augenblick klar war: Mit dem Zug bekomm ich das nie heil nach Hause.
Ich hätte es eigentlich im Laden lassen müssen.
Und genau da kam Hilfe ins Spiel.
Ich hatte jemanden gebeten, es mir mit dem Auto, eine paar Wochen später, mit nach Leipzig zu bringen.
Jemand, dem ich so sehr vertraut habe, so dass es selbst mir leicht fiel, diese Bitte auszusprechen –weil ich es gewohnt war,
dass er mir in solchen kleinen Dingen hilft. Kleinigkeiten, die für ihn keinen großen Aufwand bedeuteten und bei denen er mir bisher immer geholfen hatte. Und er sagt: „ja klar - ich komme ja eh spätestens im Juli nach Leipzig.“
Und ich ging daher davon aus, dass es so klappt, wie es immer geklappt hat – dass, wie üblich, nur eine kleine Erinnerung von mir dazugehören wird.
Und genau deshalb fühlte sich das, was danach geschah, so unfassbar an.
Denn es kam alles ganz anders.
Ein unglaubliches Ereignis jagte das nächste – und mitten in dieser filmreifen Kettenreaktion ging auch der Termin verloren, an dem mein Geschirr eigentlich in Leipzig ankommen sollte. Plötzlich fand dieser sicher geglaubte Termin nicht mehr statt. Und all meine späteren Versuche, Bitten und Angebote, auf welche Weise auch immer eine Lösung zu finden, blieben bis heute erfolglos.
Es war wie ein Schock. Ein Gefühl von Unwirklichkeit – als hätte jemand mit voller Absicht genau etwas getan, was mich wirtschaftlich und emotional treffen konnte. „Das macht der doch extra.“ Schließlich hatte er selbst mit mir im Laden gestanden, als ich mich – völlig spontan – in dieses Geschirr verliebt habe.
In mir kamen tatsächlich Gedanken hoch wie: „Das ist Diebstahl – ich hab das bezahlt, er weiß doch, was das gekostet hat.“
Wenn ich mich weiter in diese Gedanken hineingedreht hätte,
hätte mein Kopfkino sogar in Richtung böswillige kriminelle Energie, vorsätzliches, boshaftes Handeln, Straftat, Sabotage
kippen können. Zum Glück kam es nicht soweit – aber das Rutschen in diese Richtung war spürbar.
Doch dann habe ich genauer hingeschaut.
Keine Sabotage, keine böswillige kriminelle Energie, kein vorsätzliches, boshaftes Handeln – sondern ich habe einen Spiegel vorgehalten bekommen.
Meine Bequemlichkeit hatte mich dazu verleitet, auf Hilfe zu vertrauen, die zu diesem Zeitpunkt schon
nicht mehr selbstverständlich war – denn die Umstände waren nicht mehr dieselben wie damals,
als diese Hilfe noch Teil unseres ganz normalen Lebens war.
Das Ergebnis war anders als gewohnt – sehr unbequem, aber keine Sabotage oder Ähnliches von außen.
Es war wohl eher meine eigene Selbstsabotage.
Das Leben hat mir gezeigt: Wenn du zu viel Verantwortung abgibst, verlässt du dich ein Stück weit selbst.
Und schon schließt sich wieder ein Kreis im Leben eines Hypnotiseurs – denn das ist Hypnospathie im Alltag.
Nicht die Geschichte von „jemand hat mir was weggenommen“ oder
„die ganze Welt ist gegen mich“, nicht das alte Lied von „niemand hilft mir“ oder „keiner hat getan, was ich erwartet habe“.
Sondern die Erkenntnis: Das war eigentlich mein Job!
Ich erkannte, dass auch ich mich aus Bequemlichkeit zu sehr darauf verlassen habe, dass jemand etwas für mich tut.
Und demjenigen, der es dann doch nicht getan hat, kann ich keine Schuld geben.
Weil’s nie wirklich sein Job war.
Manchmal ist es nur ein Geschirr-Set, bei dem es sich anfühlt, als hätte es uns jemand weggenommen.
Und manchmal sind es Menschen, Chancen, Prozesse oder Situationen, bei denen unsere Psyche dasselbe Spiel spielt:
sie lässt uns Sabotage fühlen, obwohl in Wahrheit niemand etwas getan hat, sondern vielleicht
nur etwas nicht mehr getan hat, was für uns bis dahin ganz selbstverständlich war.
Wenn Dinge plötzlich nicht mehr so laufen wie gewohnt, kann das alles ins Wanken bringen –
und manchmal sogar erst einmal zum Zerbrechen,
bevor sich alles neu fügen darf.
Nichts wurde sabotiert. Nichts wurde gestohlen. Nur das Ego wollte schützen –
vor der Unbequemen Erkenntnis, dass es Selbstsabotage war.
Manchmal ist also das ach so unbequeme "Nicht-Mehr-Helfen" die größte Hilfe, die man jemandem geben kann.
Manchmal sogar größer als ein großer, unbequemer Turmalin-Quarz.
Warum ich das gerade jetzt alles aufgeschrieben habe?
Weil kurz zuvor der Moment war, an dem ich das Problem selbst gelöst habe -
ohne auf Hilfe angewiesen zu sein:
Ich habe mir dieses Geschirr heute neu gekauft – in einem Online-Shop.
Und beim Klicken auf „Jetzt kaufen“ hatte ich plötzlich ein
befreites, gutes Gefühl.
Und als ich in mich hineingehört habe, wo dieses Gefühl herkommt,
entstand das, was du gerade gelesen hast.
Ein Kapitel aus meinem Hypnotiseur-Leben.
Denn die Methode allein reicht nicht – wenn du sie nicht lebst.
Cliffhanger: Und vielleicht gibt es ja bald ein weiteres Kapitel, in dem ich am Ende zwei dieser Geschirr-Sets habe. Weil vielleicht auch ich, indem ich nicht mehr die gewohnte Hilfe gegeben habe, dazu beitragen durfte, dass der Turmalin-Quarz endlich von selbst – bewusst – in die Hand genommen und das Geschenk der unbequemen Selbsterkenntnis angenommen wird.
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